Vereinigung von Wegberg

Eine Grenze ohne Schlagbaum zwischen dem geldrischen und jülichschen Wegberg

Berlin, Kerkrade/Herzogenrath und Wegberg: Alle Orte haben eines gemeinsam – sie sind oder waren geteilt. Berlin war bis vor drei Jahrzehnten für fast vierzig Jahre durch eine Mauer in einen kommunistisch geprägten Ostteil und in einen demokratisch-freiheitlichen Westteil geteilt. Kerkrade und Herzogenrath wiederum wurden durch den Vertrag von Aachen 1816 getrennt. Die Grenze zwischen den Niederlanden und Preußen verlief über die gemeinsame Hauptstraße. Erst durch das 1985 verabschiedete Schengen-Abkommen fielen die Grenzkontrollen fort.

Und was war in Wegberg? Vor genau 200 Jahren, im Januar des Jahres 1820, fiel eine seit Jahrhunderten vorhandene verwaltungsmäßige Grenze, die Wegberg teilte.

Diese Grenze zwischen den sogenannten geldrischen und jülichschen Teilen Wegbergs verlief mitten durch Wegberg. Zum geldrischen Gebiet gehörten der größere Teil des Ortes westlich der Schwalm sowie südlich des Beeckbaches und weiterhin die Orte Uevekoven, Großgerichhausen, Watern, Bissen, Klinkum, Harbeck, Rickelrath. Zum jülichschen Gebiet gehörten der kleinere Teil des Ortes östlich der Schwalm und nördlich des Beeckbaches, dem Kieroth und weiterhin die Orte Dorp, Tüschenbroich, Geneiken, Gendiek und die Hälfte von Genfeld.

Das führte zu der kuriosen Situation, dass die Kirche und das Kloster im Herzogtum Jülich (Amt Wassenberg) lag, hingegen die „Burg“ und das im Jahre 1772 an der heutigen Hauptstraße erbaute Rathaus in Österreichisch-Geldern. Beide Gebiete hatten getrennte Verwaltungen mit eigenen Bürgermeistern. Der Pfarrer war zwar für beide Gemeinden zuständig, allerdings unterstand der geldrische Teil dem Bistum Roermond, der jülische Teil hingegen dem Bistum Lüttich. In beiden Teilen galt auch eine unterschiedliche Amtssprache: Niederländisch im geldrischen Wegberg und Deutsch im jülichschen Wegberg.

Zeitlich ist die Teilung Wegberg nicht eindeutig zu belegen. In den alten Rentenbüchern der Pfarre Wegberg aus dem 16./17. Jahrhundert ist von "Wegberg-Geldern" und "Wegberg-Jülich" die Rede. Im Frieden von Venlo (1543) musste Herzog Wilhelm von Jülich das Gelderland endgültig an Habsburg abtreten. Es wurde eine Provinz der burgundischen-habsburgischen Niederlande. Der geldrische Teil Wegbergs gehörte fortan zum "Oberquartier Geldern" mit der Hauptstadt Roermond. Als sich Kaiser Karl V. 1555 ins Kloster zurückzog, übernahm sein Sohn Philipp, als König von Spanien, die habsburgischen Niederlande und mit ihnen auch die Provinz Geldern. Fortan nannte man sie die spanisch-habsburgischen Niederlande.

Hat diese Grenze zwischen dem geldrischen und jülichschen Wegberg auch in den Köpfen der Bevölkerung bestanden? Manche Rivalitäten zwischen der geldrischen Seite (deren Bewohner bis in die 1960er Jahre oft als „die Spanier“ bezeichnet wurden) und der jülichschen Seite lassen dies vermuten. Der ehemalige Rentmeister und Gemeindedirektor Gerhard Evertz formulierte es so: „Die damaligen politischen Interessen sind im Wegberger Raum hart aneinander geraten.“

Selbst die Eroberung von Wegberg 1794 durch die französischen Revolutionstruppen und die Annektierung des linken Rheinlandes durch Frankreich führte nicht zur Beseitigung dieser Teilung. Forthin gehörte das geldrische Wegberg zum Departement Niedermaas (mit der Hauptstadt Maastricht) und das jülichsche Wegberg zum Departement Roer (mit der Hauptstadt Aachen). So hatte Wegberg weiterhin zwei Bürgermeister. 1800 bzw. 1804 wurde Französisch als offizielle Amtssprache eingeführt.

Nach der endgültigen Niederlage Napoleons und dem Wiener Kongress fiel das linke Rheinland an Preußen. Auch die preußische Verwaltung beließ es zunächst bei der verwaltungsmäßigen Trennung. Bereits ab 1816 war deutsch die offizielle Amtssprach in beiden Teilen. Erst zum 01.01.1820 erfolgte dann die Vereinigung. Für 2.050 „geldrische“ Einwohner und 650 „jülichsche“ Einwohner erfolgte nach vielen Jahrhunderten die Vereinigung. Die Bürgermeisterei Wegberg gehörte nun zum Landkreis Erkelenz im Regierungsbezirk Aachen.

An dieses vielen Wegberger Einwohnern unbekannte Jubiläum möchte der Historische Verein Wegberg erinnern. Im Laufe des Jahres 2020 wird mit weiteren Veranstaltungen noch näher auf dieses historisches Datum eingegangen.

                   

Wegberg in der Karte von 1801 im Departement Niedermaas, Die gelbumrandeten Teile gehörten zum Departement Roer.

 

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